Wächserne Kunstwerke am Laufmeter
Kerzenziehen Wenn das Licht draussen früher ausgeht, entsteht drinnen ein neues – warm, duftend und selbst gemacht: beim besinnlichen Kerzenziehen im Tommasini Lenzburg. Jedes Jahr werden hier rund 600 Kilogramm Wachs zu kleinen Kunstwerken verarbeitet.
Das Lenzburger Kulturhaus Tommasini ist erfüllt von geschäftigem Adventstreiben. Vor den grossen Wachstöpfen stehen Kinder und Erwachsene dicht beieinander, tauchen ihre Dochte ein, tauschen Tipps aus und verfolgen gespannt, wie ihre Kerzen Schicht für Schicht wachsen. Das Klirren der Töpfe, das leise Gemurmel und der Duft von warmem Wachs vermischen sich zu einer Atmosphäre, die gleichzeitig lebhaft und besinnlich wirkt. Ein ruhiger Moment in einer oft hektischen Vorweihnachtszeit.
Für den Elternverein Lenzburg ist das Kerzenziehen viel mehr als ein Bastelanlass. «Für meine Familie war es ab 2008 ein fester Bestandteil der Adventszeit», sagt Daniela Matthias vom Elternverein Lenzburg. Als vor zehn Jahren das gesamte OK zurücktrat und unklar war, ob das Kerzenziehen überhaupt weitergeführt werden kann, sei für manche sofort klar gewesen: «Wir machen mit.» Aus dieser spontanen Bereitschaft entstand ein engagiertes Team, das den Anlass gewissermassen gerettet hat.
Heute steht das Kerzenziehen für Integration und Inklusion im Lenzburger Familienleben. Viele junge Familien, die neu in der Stadt oder der Region heimisch werden, finden hier Anschluss. Gleichzeitig werden Traditionen weitergegeben – über Generationen und Kulturen hinweg. «Alte Kindheitserinnerungen werden wach, und wir lieben die kreativen Ideen, die jedes Jahr entstehen. Beim Kerzenziehen sieht man im Langsamen, wie etwas wächst – das hat eine beruhigende Wirkung», ergänzt Stefanie Rickermann vom Elternverein Lenzburg.
Helfende Hände gesucht
Die Nachfrage ist gross: 2025 haben sich 35 Schulklassen angemeldet – jede Klasse benötigt zwei Helferinnen oder Helfer. Dazu kommen sieben öffentliche Kerzenziehen-Anlässe, zwei Weihnachtsfeiern, die Jugendfeuerwehr, die bereits zum sechsten Mal einen eigenen Kerzenziehabend organisiert, sowie Gruppen mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen. Insgesamt verarbeitet der Elternverein während der Veranstaltungstage rund 600 Kilogramm Wachs.Mit der Beliebtheit wachsen auch die Herausforderungen. «Am schwierigsten ist es, genug Helfer zu finden und die vielen Einsatzzeiten zu koordinieren», so Rickermann. Dazu kommen spontane Ausfälle, die Belastbarkeit des Tommasini und die Frage, wo Material künftig zwischengelagert werden kann. Die Vorbereitungen beginnen jeweils nach den Sommerferien.
Das Tommasini selbst spielt eine besondere Rolle. Es strahlt Gemütlichkeit aus, darf ein bisschen imperfekt sein – «cool und lässig», wie es der Elternverein nennt. Viele erinnert es an die eigene Jugendzeit. Gleichzeitig wird es jedes Jahr anspruchsvoller, da das Gebäude sanierungsbedürftig ist, besonders in Bezug auf Elektrik und Estrich. Dennoch ist es ein Ort mit Charakter.
Trotz aller Arbeit überwiegen die positiven Rückmeldungen. Wertschätzung, strahlende Augen, die Freude darüber, dass eigene Kindheitstraditionen weitergegeben werden können. Geschätzt wird auch, dass im Tommasini Töpfe für kleine Kinder bereitstehen und genug Ansprechpersonen vor Ort sind, die unterstützen, aber Freiraum lassen. Und die ruhigen Abendtermine für Erwachsene erfreuen sich ebenso wachsender Beliebtheit. Für die Zukunft wünscht sich der Elternverein vor allem Planungssicherheit: genügend Helferinnen und Helfer, klar geregelte Lagermöglichkeiten und die Gewissheit, dass das Kerzenziehen auch weiterhin stattfinden kann. Denn für viele Familien ist es ein fester, unverzichtbarer Moment im Advent – ein Ort, an dem Kerzen, Geduld und Gemeinschaft Schicht für Schicht wachsen. Wer Interesse am Helfen hat, kann sich unter stefanie.rickermann@elternverein-lenzburg.ch für nächstes Jahr melden.
Nächste Termine Kerzenziehen: 29. November, 10 bis 17 Uhr, 30. November, 10 bis 17 Uhr und 3. Dezember, 14 bis 17 Uhr, Tommasini Lenzburg.
Weihnachtspost





