Ein Geben und Nehmen

Gerade für Haushalte mit einer PV-Anlage und einem E-Auto kann bidirektionales Laden den Energieverbrauch weiter optimieren – ohne dass dafür zusätzliche Energiespeicher gebraucht werden.

Während für Einfamilienhäuser üblicherweise 5 bis 15 kWh Speicherkapazität eingeplant werden, haben Autos bis zu 110 kWh Speicherkapazität. Bilder: PD

Während für Einfamilienhäuser üblicherweise 5 bis 15 kWh Speicherkapazität eingeplant werden, haben Autos bis zu 110 kWh Speicherkapazität. Bilder: PD

Die entsprechenden Ladestationen kosten aktuell noch rund 12 000 Franken.

Die entsprechenden Ladestationen kosten aktuell noch rund 12 000 Franken.

Wer eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat, will möglichst jede Sonnenstunde ausnutzen und den produzierten Strom speichern. Doch irgendwann sind die Speicher-Akkus im Keller voll, und der überschüssige Strom wird an das Stromnetz abgegeben.

Wer zu seiner PV-Anlage noch ein E-Auto besitzt, kann hier noch etwas mehr Strom speichern. «Eine Stunde volle Besonnung reicht aber in den meisten Fällen schon aus, um die täglich gefahrenen Kilometer wieder zu laden», sagt Remo Mucha, Leiter Elektromobilität bei der Helion Energy AG. Allerdings steht das Auto – gerade im Winter – oft gerade dann an der heimischen Ladestation, wenn die Sonne nicht mehr scheint. Faktoren, die es bei der Planung zu berücksichtigen gilt. Erst recht, wenn man noch einen Schritt weiter gehen will. «Mit bidirektionalem Laden kann das Auto nicht nur Strom aus der Ladestation beziehen, sondern auch wieder abgeben – und damit das Haus mit Strom versorgen», erklärt Mucha. Das Auto wird also zum zusätzlichen Stromspeicher. Während für ein Einfamilienhaus üblicherweise 5 bis 15 kWh Speicherkapazität eingeplant werden, besitzen die Akkus von E-Autos bis zu 110 kWh Speicherkapazität und können also locker das Haus für einige Stunden – oder bei totalem Stromausfall auch länger – versorgen, ohne dabei gleich an ihre Kapazitätsgrenzen zu stossen. Steht das Auto oft an der heimischen Ladestation, kann es also durchaus Sinn machen, diese für bidirektionales Laden aufzurüsten. «Dazu wird eine Gleichstrom-Ladestation benötigt», erklärt Remo Mucha. «Hier gibt es bereits ein Modell, welches für den heimischen Einsatz geeignet ist.»

Weitere Modelle werden bald folgen – und damit dürften auch die Preise etwas sinken. Denn derzeit ist alleine für die Ladestation mit rund 12 000 Franken zu rechnen. Das erscheint auf den ersten Blick teuer, kann sich aber dennoch lohnen. «Für diesen Preis kriegt man rund 15 kWh fixen Heimspeicher – oder man kann eben die Autobatterie nutzen, die deutlich mehr Speicherkapazität bietet», so Mucha. Allerdings gibt es noch eine Hürde: «Die Technik im Haus, von der Solaranlage bis hin zur Ladestation, können wir komplett anbieten, allerdings mangelt es noch an Autos, die für das bidirektionale Laden ausgelegt sind», so Mucha. Wie für eine normale ­Ladestation muss auch für eine Einrichtung zum bidirektionalen Laden ein Anschlussgesuch gestellt werden. Dieses unterscheidet sich etwas von jenem für herkömmlichen Ladestationen. In der ­Regel stehen der Installation aber keine rechtlichen Hürden im Weg, erklärt Remo Mucha.

Es fehlen Autos

Bis jetzt wird lediglich der Honda e mit entsprechender Technik ausgeliefert. Die Modelle aus dem VW-Konzern, die auf der MEB-Plattform basieren, also zum Bei-spiel der VW ID.3, der Skoda Enyaq oder der ­Cupra Born, sollen noch dieses Jahr folgen. Dann will VW die Technik ab Werk verbauen – und bei bereits ausgelieferten Autos nachrüsten. Darin sieht Mucha auch den nächsten grossen Schritt für das ­bidirektionale Laden. Denn die Vorteile dieser Technik liegen auf der Hand: Durch den zusätzlichen Speicher kann ein Haus weitgehend autark funktionieren. Das entlastet das Stromnetz. «Man muss sich das im grossen Rahmen vorstellen: Die Speicher von Tausenden von E-Autos zusammen können eine riesige Strommenge aufbringen», sagt Remo Mucha.

Für den Kunden macht es Sinn, nur den Speicher des Autos oder diesen zusätzlich zu stationären Speichermodulen zu nutzen. Aufgrund der höheren Menge, welche die Autoindustrie verbaut, sind die Preise für Autospeicher deutlich tiefer. Das System funktioniert aber nur, wenn das Auto oft zu Hause an der Ladestation steht.

Wenn man bedenkt, dass das durchschnittliche Auto in der Schweiz nur rund 30 Kilometer am Tag zurücklegt und zunehmend im Homeoffice gearbeitet wird, dürfte das bei vielen Haushalten der Fall sein.

Entscheidend ist bei einer Anlage mit dem Auto als Teilzeitspeicher aber erst recht die Planung – schliesslich soll immer genügend Strom im Autospeicher verbleiben, falls eben doch einmal eine lange Strecke ansteht.

Philipp Aeberli

 

Der Stand der Technik – so weit sind die Autos

Bereits auf bidirektionales Laden (Vehicle to Grid) ausgelegt:

Honda e

Akku-Kapazität: 35,5 kWH

Reichweite WLTP: 180 km

Preis: ab 43 600 Franken

 

Stromabgabe möglich, aber nicht ans Netz (Vehicle to Load):

Hyundai Ioniq 5 / Kia EV6

Akku-Kapazität: bis 77,4 kWh

Reichweite WLTP: bis 507 / 528 km

Preis: ab 49 900 / 53 700 Franken

 

Bidirektionales Laden noch nicht möglich – aber angekündigt:

VW ID.3, Cupra Born, Skoda Enyaq, Audi Q4 e-tron & Co.

Akku-Kapazität: bis 77 kWh

Reichweite WLTP: bis 549 km

Preis: ab 42 800 Franken

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