«Einfamilienhäuser gibt es nicht mehr»

Michael Schärli, Leiter Immobilienvermarktung bei der Gewerbe-Treuhand AG, Luzern, blickt aus dem Blickwinkel der älteren Eigenheimbesitzenden auf den aktuellen Immobilienmarkt und sieht viele Chancen.

Michael Schärli: «Wir bewegen uns im harmlosen Bereich.» Bild: PD

Die Babyboomer-Generation kommt ins Pensionsalter. Spüren Sie dies?

Ja, viele ältere Leute beschäftigen sich aktuell mit ihrer Wohnsituation. Wobei das Ganze gestaffelt passiert, je nach Alter, Gesundheit und persönlichen Bedürfnissen. Dies ist auch sinnvoll, wenn Paare, die sehr viele Quadratmeter zu zweit bewohnen, sich Fragen stellen. Insbesondere in Agglomerationen, in denen Wohnraum für Familien begehrt ist.

Es gibt Stimmen, die sagen eine Entspannung auf dem Immobilienmarkt voraus, weil viel Wohnraum der Babyboomer auf den Markt kommt.

Ich sehe das gar nicht so. Die Bodenknappheit in der Schweiz ist gross, es wird nicht mehr eingezont. Projekte auf einer Wiese können kaum mehr realisiert werden, scheitern an politischen Hürden. Nur eine massive und dauerhafte Erhöhung des Hypothekarzinses auf 5 oder mehr Prozent hätte einen entspannenden Einfluss auf den Markt. Aber auch daran glaube ich nicht.

Die Zinssituation beunruhigt Sie nicht?

Es gibt heute 10-jährige Hypotheken für 2 bis 3 Prozent. Wir bewegen uns nach wie vor im harmlosen Bereich. Sollten wir mal bei 7 Prozent sein, wird es für Leute, die sich schon jetzt am Limit bewegen, auch mit Leasings schwierig. Aber: Ich arbeite in diesem Markt seit 15 Jahren, immer wurde Angst gestreut, die sich als unbegründet erwies.

In welchem Alter hätten Sie die Leute gerne in Ihrem Büro für ein Gespräch?

Jeder Fall ist anders. Generell sollte man frühzeitig mit der Nachlassplanung beginnen. Ob mit 55 oder 65: Alter, Gesundheit, Wohnsituation, dies alles spielt mit und macht die Fragestellungen spannend. Wichtig ist es, das Thema in der Familie anzusprechen. Unser Unternehmen nimmt da die Position des Vermittlers, einer Mediation, ein.

Was sind die Grundgedanken, die sich ältere Eigentümer machen müssen?

Wer vermeiden will, dass Eigentum in den Nachlass fällt, muss seine Wohnung zu Lebzeiten übertragen, eventuell an ein Wohnrecht gekoppelt. Oder das Eigentum kann an Dritte verkauft werden zur Finanzierung einer Wohnalternative oder von Projekten im Alter. Der Übertrag an einen Nachkommen muss gut überlegt und richtig gemacht werden, insbesondere wenn mehrere Kinder im Spiel sind. So ist der aktuelle Verkehrswert massgebend für die Berechnung des Erbanteils. Wird die Liegenschaft zu günstig übertragen, wird das Vorgehen angreifbar.

Empfehlen Sie den Übertrag zu Lebzeiten?

Die Kinder sind doch froh, wenn die Eltern entscheiden und Parameter vorgeben, in Kauf nehmend, dass es für Einzelne auch unangenehme Konsequenzen haben kann. Man nimmt den Nachkommen die Probleme ab, die eine Erben­gemeinschaft bringen kann.

Im Jahr 2022 seine Wohnung zu verkaufen, um eine kleinere fürs Alter zu beziehen, ist doch das Dümmste, was man machen kann, man «überzahlt» das neue Objekt doch eh.

Das sehe ich nicht so. Im besten Fall haben wir ein Objekt, das wir am Markt zu einem sehr guten, sprich hohen Preis verkaufen können. Daraus können wir eine Wohnung beschaffen, die mit Zentrumslage, Bauart und so weiter optimal den Bedürfnissen des Alters gerecht wird – und wiederum etwas wert ist. Zudem: Es muss ja nicht immer Wohneigentum sein, Miete ist vielfach eine sinnvolle Alternative.

Sie sprechen die Zentrumslagen an. Genau diese Objekte gibt es doch aktuell kaum oder nur mit hohem Preisschild.

Aktuell investieren die Gemeinden, nicht nur in der Region Luzern, sehr viel in die Aufwertung von Zentrumslagen mit Architekturwettbewerben und der Planung von grossen Projekten. Man kennt die Nachfrage und betrachtet die Thematik heute anders als vor 10, 20 Jahren. Ja, günstig sind Zentrumslagen nicht, aber es gibt einen Markt mit neu erstellten Überbauungen für dieses Nachfragesegment, den unsere Firma im grossen Stil begleitet.

Wie sieht es mit Familien aus, die merken, dass es nur mit AHV und kleiner Pension eng wird im Alter?

Wichtig ist, dass eine Liegenschaft gut unterhalten wurde, dass die Fassade gemacht und die Heizung auf dem neusten Stand ist. Dies steigert den Wert des Objektes und erlaubt auch im Alter, die Hypothek aufzustocken. Darum sollte man Hypotheken nie komplett abbezahlen. Eine Neuhypothek zu lösen, wäre eine zusätzliche hohe Hürde.

Wenn das noch nicht reicht?

Ist die Tragbarkeit immer noch heikel, gibt es die Idee der Solidarhaftung der Kinder. Generell: Die Banken suchen immer eine Lösung, in meiner Tätigkeit musste ich noch nie den Fall eines erzwungenen Verkaufs erleben.

Wie sieht der Immobilienmarkt in 10 Jahren aus?

Wenn ich das genau wüsste, hätte ich den Lottosechser … Ich sehe es nicht kritisch, gehe davon aus, dass mehr Objekte auf den Markt kommen werden, diese aber auf eine grosse Nachfrage stossen. Die Preise werden tendenziell immer noch anziehen. Das Einfamilienhaus gibt es nicht mehr, in keiner Raumplanung wird noch Land dafür ausgeschieden. Das bedeutet, dass es für bestehende Objekte eine grosse Nachfrage gibt, auch wenn ganze Quartiere in den Verkauf gelangen sollten. Man wird viel lernen von den letzten Jahren, es wird etappiert gebaut und nur noch Objekte, die vom Markt auch aufgenommen werden.

Andréas Härry

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